![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEivT0ekvnGNYClfQZgTtMyjwaB6B_0tF4auTEVXU_U4BmUMunD3hiVHDzYBHXwYR07zSA43uN8BWrBbLgp31Hsr8ixKkZG3P1Gkp4oIn2Bbl7ONandSqhCaMz8rlXhIzuiV5wc0zBaUVDxU/s400/Scan.jpg)
Im Gespräch mit Lord Scan für die Ausgabe Nr. 104 des Backspin HipHop Magazines- die Ausgabe ist hier bestellbar- und hier gehts zum Artikel:
Scan, Du bist ja nun seit 16 Jahren im Hip-Hopaktiv. Wie hat sich die Kultur generell gesehen für Dich entwickelt?
Na ja, wie eine Subkultur sich eben entwickeltwenn sie populär geworden ist und die kommerzielle Ausschlachtung hinter sich hat. DieSubkultur Hip-Hop wie sie durch „Beatstreet“,„Wildstyle“, und „Stylewars“ in DeutschlandVerbreitung gefunden hat, gibt es ja immer noch und die alten Hasen und Häsinnen werden damit auch nicht aufhören. Allerdings istder Begriff Hip-Hop in der Öffentlichkeit extrem
negativ verzerrt. Es ist wahnsinnig anstrengend, jemandem, der mit Hip-Hop nicht vertraut ist,dieses Klischeedenken auszutreiben. Für diejenigen,die sich mit der Kultur nicht befasst haben, ist Hip-Hop eine brennende Mülltonnein der Bronx oder so etwas fieses wie Bushido. Irgendwann ist man es leid, dieses Bild in denKöpfen der Menschen zu korrigieren. Und das macht mir dieses „Hobby“ auch echt schwer. Ich kapsel’ mich da manchmal extrem ab weil ich es leid bin, mich ständig erklären zu müssen. Hip-Hop ist definitiv eine gebeutelte Kultur.
Du kommst ja aus Minden, einer Stadt, die Ende der 90er raptechnisch deutschlandweit
bekannt war. Seit 2001 wohnst du nicht mehr dort, was verbindet dich noch mit der Stadt?
Eine ganze Menge. Für mich wird Minden immer einen hohen Stellenwert behalten. Seit ich da weggezogen bin hab ich ja nirgendwo
wirklich Fuß gefasst. Deshalb fühle ich mich in Minden noch am ehesten heimisch. Als wir damals als Klan die Jams unsicher gemacht
haben war dieser Lokalpatriotismus ja auch Teil unseres Aushängeschilds. Das hatte eine krasse Dynamik wenn wir mit dem ganzen Mob bei den Jams eingefallen sind und alle sofort wussten: Ouha, die Mindener sind da. Wir haben aus unserer Provinzsituation damals einfach absurd viel gemacht, und das verbinde ich mit dieser Stadt. 2009 habe ich übrigens ander Hall in Minden meine befreundeten Sprüher aus Deutschland zum Grillen und Lackieren einladen. Das ist dann im Vorfeld schon so positiv aufgenommen worden, dass wir das2010 als „Hack & Lack“ wiederholt haben. Wenn nichts dazwischen kommt, geht das 2011 in die nächste Runde. Das ist etwas, das mir irgendwiewichtig ist, weil es eben doch noch meine Stadt ist.
Die alten Hasen, von denen du eben gesprochen hast, sind in zwischen ja alle in einem Alter, in dem die ihr Leben finanzieren müssen. Wie sieht das bei dir aus?
Ich hab Illustration studiert, war eine zeitlang selbstständig und bin jetzt über Umwege in einer Agentur gelandet. Zurzeit mache ich aber
fast nur Layout und das ist sehr ermüdend. In einigen Monaten kann sich das aber auch wieder ändern. Ab und zu kann ich da im Illustrationsbereich zumindest etwas rumexperimentieren. Allerdings fällt mir dieses strukturierte
Leben als Dauerzustand echt schwer und derJob zieht mir oft kreative Energie ab, die ich lieber in meine eigenen Projekte stecken würde.
Arbeitest Du also, um Deine Hip-Hop-bezogene Kunst finanzieren zu können?
Ja, auf jeden Fall. Ich hab noch einige fixe Ideen, an denen ich arbeite. Größere Projekte, bei deren Realisierung ich zumindest bescheidene finanzielle Mittel brauche. So eine Schnorrmentalität ist für mich selbst undenkbar. Fremdbestimmt zu leben und andere Menschen manipulieren zu müssen für die eigenen Interessen, das will ich einfach nicht. Das wäre mir auch viel zu anstrengend.
Du bist eigentlich Illustrator, beim Graff aber eher auf Buchstaben fixiert. Woran liegt das?
Den eigenen Namen zu schreiben, ist ja eine ziemlich großkotzige Ansage. Bamm! Scan isthier und er wabert und glitzert und rotiert um
seine eigene Achse. Nur Charakter zu sprühen, ist in meinen Augen anonymer. Ein Label oder Branding zu haben, das jedes Mal anders aussieht und durch die eigene Handschrift trotzdem zu entziffern ist, halte ich außerdem für ein klasse Konzept. Ein Label, das nur den eigenen Namen verkauft. Nur mit Charaktern könnte ich natürlich ein breiteres Publikum auch außerhalb von Hip-Hop ansprechen, aber das interessiertmich nicht so. Ich hab mich immer wieder mit der Graffiti-Historie und auch den verschiedensten
Stilen auseinandergesetzt. Das ist ein Kosmos mit unendlich vielen Ansätzen und Geschmäckern. Die Grundform von Buchstaben
ist so simpel, das man damit in unheimlich viele verschiedene Richtungen gehen kann.
Aber wenn man sich deine Pieces ansieht, ist ein Charakter bzw. eine bizarre Traumwelt mit schleimigen, oder mechanisch-technischen Elementen fast immer ein Teil der Gesamtkomposition.
Es ist ja auch nicht so, dass mich Charakter nicht interessieren, ganz im Gegenteil. Aber sie sind eher ein Teil der Komposition, genau wie Glibber, Bubbles oder sonstwas. Außerdem ist der Übergang bei mir ja fließend. Die Buchstaben können teilweise illustrativ sein und die figurativen Elemente eher eine Styleästhetik haben. Graffiti ist einfach ein freies Übungsfeld. Gerade mein räumliches Vorstellungsvermögen hat sich durch die Buchstaben in den letzten Jahren massiv verbessert, was dann wieder
den Figuren zugute kommt. Das beeinflusst sich gegenseitig.
Apropos Komposition: Bei deinen Wänden taucht immer wieder der Begriff Schädelbasis/ Schädelbasisexport auf. Was hat es damit auf sich?
Das ist das „Label“, das ich nach der Auflösung vom Klan für meine weiteren musikalischen Projekte „gegründet“ habe. Der Begriff erklärt sich ja eigentlich von selbst. Der Kopf als Basis und der Quatsch, der da exportiert wird (lacht).
Schädelbasis ist bei dem Zerdenken, das ich täglich betreibe, außerdem eine Art Zustand. Anfangs habe ich noch SBE unter das Scan-Tag gesetzt, aber Abkürzungen mit drei Buchstaben sind sehr nichtssagend, deshalb schreibe ich das meistens aus.
Was ist deine Motivation, immer noch so viel Zeit in eine leider zu häufig brotlose Kunst zu stecken?
Dafür muss man, glaube ich, verstehen, wie ich Hip-Hop als Jugendlicher wahrgenommen habe. Die zweite Hälfte der 80er habe ich ja leider nicht mitbekommen. Aber auch Anfang der 90er war das noch eine sehr lebendige Subkultur. Dieses Gefühl, Teil einer Bewegung zu sein, das habe ich danach einfach nie wieder in der Intensität erlebt. Die ersten Schritte als Sprüher waren ja schon überwältigend, aber meine Jam-Erlebnisse haben mich dann einfach umgehauen. Diese euphorischen Momente, die man mit 16 hatte, gibt es ab einem bestimmten Alter natürlich nicht mehr so häufig. Wenn ich aber nach vier frustrierenden Wänden bei der fünften etwas Neues austüfteln konnte, dann freu ich mich wie ein Kind. Sprühen ist für mich immer spannend geblieben. Diese Erinnerungen kann ich nicht einfach löschen und es ist egal, wenn ich manchmal dem romantischverklärten rosa Drachen hinterher laufe. Hip- Hop hat mich in meiner Entwicklung bisher immer weitergebracht. Ich glaube, ich hätte an einigenStationen im Leben auch gut abrutschen können wenn mir diese Sache nicht so wichtig gewesen wäre.
Würdest Du Dich hierbei auch als ehrgeizig bezeichnen?
Auf jeden Fall! Das ist auch ein bisschen grenzwertig bei mir. Wirklich zufrieden mit einer Sache bin ich nur, wenn ich damit Fassungslosigkeit oder staunendes Kopfschütteln provoziere. Da spielt bei mir auch so eine Unzufriedenheit als Grundstimmung mit rein. Bei dem, was ich mache, muss ich mich auch selbst amüsieren und überraschen können. Wenn ich mich nur noch wiederhole, bin ich schnell sehr gelangweilt oder frustriert. Dazu gehört dann auch das Umschmeißen von etabliertem und der Mut zur Gurke. Sportliches Messen in verschiedenen Disziplinen war bei Hip-Hop früher außerdem noch stark ausgeprägt. Das hat das zusätzlich begünstigt.
Das bezieht sich bei dir auch auf Raps und Beats. Zurzeit liegt aber Dein Fokus auf Graff, oder?
Teilweise. Ich stecke immer noch viel Zeit in musikalische Dinge aber das sind ungelegte Eier. Das ist ein Bereich, in dem ich irgendwann quasi den Faden verloren habe und da stricke ich jetzt still und heimlich dran rum. Außerdem sitze ich schon viel zu viel vor dem Rechner und das ist auch ein Grund, warum ich nach der Arbeit lieber raus will.
Woran liegt es dass man nicht allzu viel von Dir in Magazinen sieht? Du bist ja nicht gerade unproduktiv.
Ich investiere immer ziemlich viel Zeit in meine Wände, aber die Fotos zu verschicken bekomme ich nach wie vor nicht wirklich auf die Reihe. Dieser Teil von Graffiti nervt mich dummerweise. Die Pieces gedruckt zu wissen, ist mir
wichtig, aber dieses dauernde verschicken und platzieren ist mir oft zu mühsam. Ich habe eine lange Zeit nur für mich selbst gemalt und wenn Pieces abgedruckt wurden, dann meistens Wände, die von Leuten verschickt wurden, mit
denen ich gerade gesprüht habe. Ich habe eine Weile gar nicht realisiert, dass es Sprüher gibt, die meine Sachen verfolgen beziehungsweise dass die paar gedruckten Pieces überhaupt jemandem aufgefallen wären.
Käme es für dich in Frage, deinen Job an den Nagel zu hängen, um dich kompromisslos deiner Kunst zu widmen?
Durchgespielt hab ich diesen Gedanken immer wieder. Je älter man wird, desto größer wird der soziale Gruppenzwang. Entziehen kann
man sich dem dann doch wieder nicht ganz. Ich befürchte, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, wo ich nicht mehr die Zeit und Energie in Hip-Hop investieren kann, es sei denn, ich mache es zu meinem Beruf. Andererseits möchte ich eigentlich nicht mit Graff oder Mucke mein Geld verdienen müssen weil es das Ergebnis verfälscht. Ob man will oder nicht: Die eigene Überzeugung wird notfalls verbogen, wenn man nichts zu essen hat und die Miete bezahlt werden muss.